Ein kurzer Reisebericht über eine kurze Reise von Michael Hochsprung
Samstag, 18.02.2023: Das Abenteuer beginnt. Am frühen Morgen steht Kerstin vor meiner Türe um mich abzuholen. Sie fährt Jürgen, der etwas später dran ist, weil ein Tempotaschentuch in der Waschmaschine seinen schwarzen Hoddie versaut hat, und mich auf die S-Bahn nach Gärtringen. Mitten auf der Fahrt registriert der Reiseleiter, dass wir zu spät dran sind und unseren ICE in Stuttgart nicht kriegen können. Stimmt! Aber der nächste Zug reicht uns auch noch. Doch was hören wir da? Der Zug fällt ersatzlos aus.
So langsam werden wir nervös! Schließlich haben wir einen Schlafwagen nach Brasov gebucht. Und den wollen wir schon erreichen. Wir nehmen den nächsten ICE („Dieser Zug ist pünktlich!“) und fahren über München und Wien nach Budapest, wo wir in unseren Schlafwagen umsteigen.
Wir sind – nicht nur gefühlt – fast die einzigen im ganzen Zug. Beim Zugbegleiter ergattern wir noch zwei Becher für unseren Whisky und hören im Liegen Malmsheimers „Das Wurstbrot“. Nachts werden wir zweimal geweckt: Pass- und Bombenkontrolle. „Ha klar, die haben Angst, dass einer nach Rumänien flüchtet!“ Ich liebe Jürgens Humor!
Es ist so herrlich nachts aufzuwachen und im fahrenden Zug zu liegen. Er trägt uns weit, weit weg. In ein für mich fremdes Land. Irgendwie habe ich aber das Gefühl, meinen Wurzeln etwas näherzukommen, da meine Großeltern aus Bessarabien stammen. Ich freue mich auf die bevorstehenden Tage.
Am Sonntagmorgen erreichen wir Brasov und warten auf Sonja, die uns vom Bahnhof abholt. Sie leitete viele Jahre das Kinderheim in Ghimbav. Die wenigen Tage (es sind tatsächlich nur zweieinhalb!) im Kinderheim sind so eindrucksvoll und herzlich, dass sie sich mir tief ins Herz brennen. Der Umgang der Kinder untereinander und ihre Zuneigung sind in Worte schwer zu fassen. Sie scheinen zu spüren, worauf es im Leben ankommt. Vielleicht ist ihre Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit so groß, dass sie unweigerlich sofort danach greifen, sobald sich ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Wir machen Musik zusammen, essen gemeinsam, laufen mir Iani durch Ghimbav, besuchen mit einer größeren Gruppe Brasov und kaufen im Hornbach (man fühlt sich wie zuhause) zwei neue Wasserhähne.
Das Highlight ist der neue VW-Bus, den wir völlig überraschend für alle übergeben. Die Freude über das neue Auto ist riesengroß! Als Dank singen uns ein paar Kinder ein Lied: „Die Liebe von Jesus ist wunderbar!“ Wir bekommen diesen Sound nicht mehr aus dem Kopf und singen in den kommenden Tagen selber immer wieder dieses Lied.
Als wir am Dienstagmorgen mit dem alten VW-Bus abreisen, wird mir klar, dass mir die Kinder fehlen werden…
Auf unsrer Rückfahrt besuchen wir Sibiu (zu deutsch Hermannstadt). Wir genießen den Aufenthalt mit gutem Essen, einem Spaziergang durch die schöne Innenstadt und einem Besuch bei einer Journalistin einer deutschsprachigen Zeitung. Sagen wir so: Diese Frau hat Herz, man merkt es ihr aber nicht an.
Wir fahren weiter nach Timisoara, wo wir in einer feudalen und großräumigen Ferienwohnung zwei Nächte übernachten werden. Zum Abendessen wählen wir zweimal dasselbe Restaurant. Wir wollen einfach keine Experimente eingehen. Das Essen ist günstig und lecker. Mehr wollen wir nicht!
Am Mittwoch schauen wir uns diese schöne Stadt zu Fuß an. Unser Frühstück an einem sonnigen Plätzchen mit schöner Aussicht lässt uns alle Sorgen vergessen. Das Leben ist schön! Da und dort wird deutlich, warum Timisoara Kulturhauptstadt Europas 2023 ist. Trotzdem sind wir verwundert, dass so wenig los ist.
Am Donnerstag reisen wir ab. Wir legen die 1200km zurück und hängen unseren Gedanken nach. Keine Frage: Diese Tage haben etwas mit uns gemacht.